Der Magen - das Kraftwerk des Alpakas

Jeden Tag werden wir von unseren Alpakas so malmend auf der Weide begrüßt. Das sieht süß aus und hat einen ganz praktischen Grund – der Aufbau des Magens. Doch obwohl Alpakas ihre Nahrung wiederkauen, gehören sie nicht zu der Gruppe der Wiederkäuer. Anders als beispielsweise Kühe, besitzen Alpakas nämlich nur einen Magen.

1. Wiederkäuer-Magen vs. Alpaka-Magen

„Echte“ Wiederkäuer haben 4 voneinander getrennte Mägen mit unterschiedlichen Aufgaben. Alpakas aber haben nur einen großen Magen mit 3 unterschiedlichen Teilen, die nicht voneinander getrennt sind und unterschiedliche Aufgaben erfüllen.

Alpaka-Magen

2. Der Alpaka-Magen

Verfolgen wir den Weg der Nahrung, verstehen wir die einzelnen Funktionen der drei Magenteile (C1-C3) leichter:

2.1. C1 – Das Kraftwerk des Magens

Beim Fressen wird die Nahrung zunächst nur grob vorgekaut, dabei mit basischem Speichel vermengt und dann hinuntergeschluckt. Über die Speiseröhre gelangt sie in den C1-Magen, der am ehesten dem Pansen der „richtigen“ Wiederkäuer entspricht. Dieser macht 80 % des Gesamtvolumens des Magens aus und dient unter anderem auch als Vorratsbehälter.

Die Keime, die sich hier aufhalten, verdauen zusammen mit den Magensäften die Nahrung einschließlich der Zellulosefasern zu einem großen Teil. In dieser großen „Gärkammer“ findet sich eine große symbiontische Gemeinschaft von über 100 Bakterien, Protozoen (Einzeller) und Pilzen der unterschiedlichsten Art, die die Nahrung erst für das Alpaka zugänglich machen. Nur durch das reibungslose Arbeiten dieser Keime und die langsame peristaltische Durchmischung des Nahrungs- und Keimbreis, kann ein Alpaka die Nahrung verdauen. Einige Keime können auch giftige Substanzen abbauen und schützen das Alpaka vor Toxinen, wie beispielsweise die des Jakobskreuzkrauts,

Da beim enzymatischen Um- und Abbau der Nahrung, Wärme, Vitamin-B-Komplexe und weitere Vitamine, vor allem aber wichtige flüchtige Fettsäuren, entstehen, wird dieser Teil des Magens auch das „Kraftwerk des Alpakas“ genannt. Von diesem Energielieferanten profitiert der gesamte Magen-Darmtrakt, wobei auch anfallende Stickstoffe von Keimen verwendet und direkt in der Wand des C1-Magens aufgenommen werden.

2.1.1 Ruhe braucht Zeit – Wiederkäuen bei Alpaka

Die durchschnittliche Verweildauer fester Nahrungsbestandteile im Alpaka C1-Magen beträgt bis zu 63 Stunden. Zum Vergleich: die Aufenthaltszeit in Schaf- oder Rindermägen ist etwa 30% kürzer.

Abbildung 2: Aufenthaltszeit fester Nahrungsbestandsteile im Vergleich

Diese lange Verweildauer ist der Grund für die deutlich bessere Ausnutzung auch weniger qualitätsvoller Nahrung beim Alpaka im Vergleich zu Schafen oder Rindern.

Während der Aufenthaltszeit findet nun auch das Wiederkäuen statt: die zunächst noch festeren Bestandteile werden durch die peristaltische Aktivität des C1-Magens zum Eingang der Speiseröhre transportiert und hier in kleinen Portionen in die Maulhöhle transportiert, wo sie erneut mit Speichel durchmischt, so noch einmal abgepuffert und durch erneutes Kauen gründlicher zerkleinert werden.

In den Gärprozessen entstehende Gase, meist Kohlendioxid, aber auch andere, werden durch regelmäßiges „Rülpsen“, den Ruktus, abgegeben. Dies ist notwendig um einer Überblähung entgegen zu wirken und die Bewegung der Magenwand anzuregen. Bei einer Gesundheitsstörung kann die fehlende Durchmischung die Keimflora aus dem Gleichgewicht gebracht sein. Eine Kontrolle der 1-2 x in der Minute durchlaufenden Bewegungen des C1-Magens sollte in diesem Fall überprüft werden.

2.2 Das Zusammenspiel der Magenteile des Alpakas

Der an C1 anschließende Magenteil C2 ist wesentlich kleiner (ca. 6% des Magens). Hier werden neutralisierende Substanzen und weitere Enzyme zur Aufspaltung dem Nahrungsbrei hinzugefügt und die jetzt breiig-dickflüssige Nahrung weiter aufgeschlossen. Zwischen C1 und C2 besteht eine weite Öffnung, durch die die Nahrung leicht wandern kann.

Nach relativ kurzer Verweildauer in C2 gelangt die Nahrung durch eine deutlich engere Öffnung von ca. Fingerdicke in das dritten Magenteil (ca. 11% des gesamten Magens). Dieser Teil der Verdauung ähnelt der des menschlichen Magens. Durch Zugabe weiterer Säuren und Enzyme können erneut stickstoffhaltige Substanzen, vor allem aber Wasser aufgenommen werden. Bakterien, die aus dem C1-Magen hierher gelangen, werden ebenfalls verdaut und ihre Proteine als wichtige Eiweißquelle aufgenommen.

Die ersten 80% dieses Magenteils besteht aus Wänden mit ähnlicher Funktion wie C1 und C2, aber die letzten 20% ähneln dem Magen des Menschen. Die Wände bilden hier eine starke Salzsäure, die den pH-Wert des Nahrungsbreis von 6-7 auf einen Wert von 2-3 bringt, bevor er portionsweise durch den Magenpförtner in den Zwölffingerdarm gelangt.

3. Tipps für den Alpaka-Magen

3.1 Richtige Ernährung für gesunde Keimflora

Für eine gute Alpaka Ernährung gibt es einiges zu beachten, worüber wir ausführlicher in unserem Buch geschrieben haben (Link zum Buch). Der erste Teil des Alpakamagens (C1) beinhaltet die Keime, die im gesunden Gleichgewicht, als Keimflora, die Verdauungsprozesse beeinflussen. Wenn hier eine Störung vorliegt, kommt es schnell zu einer Übersäuerung.

3.2 Starke Schwankungen in der Ernährung vermeiden

Die Art der Nahrung beeinflusst die Keimflora des Alpakamagens (C1) – das empfindliche Gleichgewicht kann bei zu starken und raschen Schwankungen irgendwann nicht mehr natürlich erhalten werden. Hier kann eine plötzliche Veränderung der Ernährung zum Absterben einzelner Keimarten und so zu einem Zusammenbruch der Stoffwechselkette führen. Weil praktisch jede ernste Störung als erstes zu einer Übersäuerung im Magen führt, sterben in diesem jetzt zu sauren Milieu auch andere Keimarten ab. Dies führt zu einem schnellen Fehlen der wichtigen von den Keimen gebildeten Substanzen, vor allem der „Energie“ durch die Fettsäuren.

3.3 Vorsicht ist geboten bei stärkehaltiger Nahrung

Eine weitere Gefährdung stellt stärkehaltige Nahrung aus Getreide dar. Diese führt nämlich ebenfalls zu einer Magenübersäuerung. Stärke wird von den Magenkeimen sehr schnell abgebaut und als Zucker aufgenommen, wobei unter anderem Milchsäuren entstehen. Diese Übersäuerung führt wieder zu einem raschen Fehlen notwendiger Energieträger. Die für die Körperfunktionen notwendige Energie wird nun aus anderen Quellen wie Leber, Fettgewerbe, Muskeln, abgezogen. Dies führt zu einer akuten Übersäuerung im gesamten Stoffwechsel, der Ketose oder Ketoacidose, was letztendlich lebensgefährlich ist.

3.4 Magnesium für gesunde Mägen

Auch Magnesiummangel führt durch die herabgesetzte Peristaltik zu einem zunehmenden Aufgasen des Magens. Auf eine Ernährung mit ausreichender Magnesiumzufuhr sollte daher geachtet werden.

3.5 Andere mögliche Gründe für Störung der Keimflora

Weitere mögliche Gründe für Störungen der Keimflora mit zunehmender Acidose und Aufgasen können langdauernde Antibiotika- oder Cortisonbehandlungen und mechanische Hindernisse im Magen wie Fremdkörper oder Narbenstrukturen nach Geschwüren sein. Aber auch eine Übersäuerung des Stoffwechsels durch akut auftretenden erhöhten Kalorienbedarf könnte eine mögliche Erklärung sein. Dies ist z.B. der Fall bei Kälteeinbrüchen, zu Beginn der Laktation, bei akutem Nahrungsmangel oder bei einer akuten Infektion.

4. Besonderheiten des Magens beim Fohlen

Beim Fohlen bildet die Muskulatur des C1- und C2-Teils eine Muskellippe, die sogenannte Magenrinne, die die Milch direkt von der Speiseröhre weiterleitet, in den relativ großen C3 Teil. Im Vergleich zu erwachsenen Alpakas, ist dieser Magenteil nicht nur größer, sondern die Verdauung ist der des Menschen ähnlicher. Selbst wenn sie Heu oder Gras knabbern oder fressen, können sie es noch nicht verdauen. Dieses Verhalten dient aber der Vorbereitung der zukünftigen Funktionen von C1 und C2.

5. FAQ

Wie kann ich eine Acidose erkennen?

Sie macht keine besonderen Beschwerden: die Tiere sind müde, lustlos, appetitlos, in späteren Stadien riechen sie sauer aus dem Maul. Einfacher ist es, zu überlegen, ob es einen Grund dafür geben könnte: Nahrungsumstellung, Stress, Geburt eines Fohlens mit Umstellung des Mineralhaushalts durch die plötzliche Milchproduktion oder ähnliches.

Was kann ich tun bei einer Übersäuerung?

Das Hauptproblem ist der zu hohe Säuregehalt im Magen, der zum Absterben der unbedingt notwendigen Keimflora mit den damit verbundenen Konsequenzen (s.o.) führt. Also muss als erstes versucht werden, den PH-Wert umgehend anzuheben. Dafür gibt es aus der Behandlung von Rindern und Schafen probate Antacida wie „Antacidum N“. Allerdings müssen sie in wesentlich höherer Dosis als dem vergleichbaren Körpergewicht entsprechend gegeben werden und das ca. alle 4 Stunden über mindestens 24 Stunden (natürlich auch nachts!).

Es sollte darauf geachtet werden, dass dem Antacidum Propionsäure zugesetzt ist, dann kann dem Alpaka auf diese Weise Energie zugeführt werden, denn diese kann direkt von der Darmwand aufgenommen werden und ins Blut gelangen. Man kann Propionsäure aber auch in Pulverform bekommen.

Um die Keimflora nach Anheben des PH-Werts schneller wieder in Gang zu bekommen, ist es hilfreich, frischen Magensaft eines anderen Alpakas zuzuführen. Da aber der Mageninhalt beim Alpaka immer gemischt ist und damit auch grobe Partikel enthält, ist das sehr schwierig mit einer normalen Magensonde zu bewerkstelligen. Wesentlich einfacher ist es da, den Pansensaft einer Kuh zu entnehmen und dem Alpaka zu geben.

Eine wichtige Folge der Übersäuerung ist die ansteigende Durchlässigkeit der Magenwand für die im Magen vorhandenen Keime. Dies führt zunächst zu einer Magenwandentzündung, kann aber schnell auch zu einer Bakteriämie führen (die Keime gelangen ins Blut). Aus diesem Grund benötigt ein Alpaka in dieser Situation ein Antibiotikum.

Der Entzündungsprozess in der Magenwand und die gestörten Mineralverhältnisse führen außerdem schnell zu einem massiven Eintreten von Wasser aus dem Blutkreislauf in den Magen. Die Folge sind Überdehnung des Magens mit Störung der Peristaltik und Durchfälle bei gleichzeitiger Kreislaufstörung durch den unzureichenden Blutdruck. Aus diesem Grund sollten Alpakas in diesem fortgeschrittenen Stadium eine Infusion bekommen, zunächst mit dem die Ketose bremsenden Natriumbicarbonat, später mit Elektrolytlösung . Vorsicht mit Glukose-Infusionen bei Alpakas: ihr Stoffwechsel kann Glukose schlecht verwerten, die Infusion ruft oft eine Hypokaliämie hervor, die lebensbedrohlich werden kann.

Sollte bei einer Übersäuerung Kot gegeben werden?

Die Gabe von Kot ist nicht zu empfehlen, da dieser völlig andere als die im Magen benötigten Keime enthält und deren Ausbreitung im Magen zusätzliche Probleme verursachen kann.

Können Alpakas Magengeschwüre bekommen?

Ja, wie viele andere Tierarten und auch wir Menschen können Alpakas durch Übersäuerung, deren Ursachen sehr vielfältig sein können, Geschwüre in den Magen- und Darmwänden entwickeln. Da sie sehr wenig Symptome zeigen und deshalb selten behandelt werden, heilen solche Geschwüre oft langsam und ungünstig unter Ausbildung von sich stark zusammenziehenden Narben ab, die den Nahrungstransport in der Folgezeit dauerhaft behindern. Es ist übrigens interessant, dass bei solchen Magengeschwüren ähnliche Präparate helfen wie beim Menschen: Antacida, die durch das Maul gegeben werden können, stellen die erste Wahl der Behandlung dar. Sie enthalten säurebindende Stoffe wie Magnesiumoxid, puffern also den pH-Wert schnell ab. Perfekt ist es, wenn sie auch Substanzen enthalten, die schnell Energie zur Verfügung stellen wie Propionsäure (s.o.).

Auch Luzerneheu kann hilfreich sein: es wirkt basisch und puffert so ebenfalls Säuren im Magen ab. Aber auch Therapieversuche mit intravenös gegebenem Omeprazol waren erfolgreich (oral gegeben zeigte es keinen Effekt).

Weitere Informationen finden sich auch in unserem Buch “Warum Alpakas?”

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Faserkunde - Verfahren für die Faservermessung von Alpakas

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Chlamydien bei Alpakas - auch gefährlich für uns?